Christof Grüger • Freischaffender Künstler im architekturbezogenen Bereich

Katholische Kirche Bitterfeld, Chor- und Seitenfenster (1971)

Die Chor- und Seitenfenster - Verglasung der katholischen Kirche in Bitterfeld nimmt eine Ausnahmestellung in Christof Grügers Werk ein: Er verlässt hier den religiösen Formenkanon und thematisiert stattdessen die Umwelt „als Schicksal und Aufgabe“: Alle fünf Fenster sind Zeugnisse des industriegeprägten Lebensraumes und bilden im Chor das technische Umfeld mit Szenen aus der Rohstoffgewinnung, an den Seiten mit Szenen der Rohstoff-Verarbeitung ab. Dabei könnte man den abgebildeten Industriebau als Architekturform unserer Zeit in Analogie zu den Architekturabbildungen in den Fenstern gotischer Kathedralen interpretieren. Das Konstruktionsprinzip der stählernen Fachwerk-bauten mit aussteifenden Dreiecken verweist zugleich wieder auf den Kosmos mit seinen atomaren Verknüpfungen.

Bitterfeld aussen

 

Der Kirchenraum während der Renovierungsarbeiten 1971

Chorraum

 

Vor dem Entwurf der Fenster zeichnete Christof Grüger drei Wochen lang in den Gruben die „Technosaurier“, wie er die Bagger und Förderanlagen bezeichnet. Für die Realisierung der Entwürfe stand ihm nur ein eingeschränktes Materialangebot zur Verfügung und er setzte die sandgelb-rostbraun-rußgraue Bitterfelder Umgebung in grau-weiß-blaue Kompositionen mit einem minimalen Anteil Rot um.
Das linke Chorfenster zeigt einen Kohleflöz, ein angeschnittenes Rad leitet über zum mittleren Chorfenster, auf welchem Schienen, eine Lore und ein angeschnittener Kranausleger den Transport des gewonnenen Rohstoffs abbilden. Im rechten Chorfenster sind weitere Förderbänder und Hochtrassen zu sehen. Die Seitenfenster sind der Weiterverarbeitung der Rohstoffe gewidmet und visualisieren chemische Prozesse durch Röhrensysteme, endend in molekularen Gitterstrukturen.
Wie eindringlich die Wirkung dieser Fenster ist, zeigte die Frage der Kunstbeauftragten der Magdebuger Abteilung des Verbandes bildender Künstler der DDR bei einem Besuch bei Christof Grüger: „Wo bleibt denn da der Mensch?“- „Das frage ich mich eben auch!“ war die Antwort des Künstlers.

               
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