Christof Grüger • Freischaffender Künstler im architekturbezogenen Bereich

Betonglasfenster und Wandbehang in der St. Marien-Kirche (1971/72)

Diese Arbeit, vorrangig Betonverglasung, verhalf Grüger endlich zu der bisher verwehrten Anerkennung durch den Verband bildender Künstler und damit Zugang zu staatlichen Aufträgen der Demokratischen Republik Deutschland.
Die einschiffige, gewestete Kirche – eigentlich ein Industriebau - erhielt drei Betonglasgestaltungen:

     
Im Vordergrund die kleine Alltagskirche                    Die westliche Altarwand mit den kleinen "Betstübchen"

 


Während an der Straßenfassade (Ostseite) Auferstehung und Schöpfungsakt als Wirbel in Blaugrau-Tönen dargestellt sind, ist Thema der südlichen Seitenwand „Vom Gegeneinander zum Miteinander“. Von links und unten schieben sich in abstrakten Figuren die zerstörerischen Elemente empor (der Mensch, symbolisiert durch Krieg, und die Natur, symbolisiert durch Vulkanausbrüche), denen die schöpferischen Elemente von oben und rechts entgegen wirken – die Gegensätze treffen aufeinander im beruhigenden Blau, gleichzeitig optische Erweiterung des Raumes. Durch eine Erhöhung des Anteils geschlossener Flächen entstehen zwei massivere Dreiecke, die die Wandfläche zusätzlich gliedern und eine Blendung der Gemeinde durch die Südsonne vermeiden.
In Gegensatz zu den großflächig aufgelösten Ost- und Südwänden ist die Altarwand (Westseite) massiv als flacher Bug geformt und nur punktuell durchbrochen von kleinen farbigen Öffnungen, die wie eine zersprengte Rosette wirken und auf den Altar durch eine spitz zulaufende Anordnung hinweisen. Diese Ansammlung kleiner „Betstübchen“ (so der Kommentar einer Kirchenbesucherin) wird von Grüger als „Über die Gemeinde sich breitendes Herabschwebendes“ bezeichnet und er verweist auf das himmlische Jerusalem.

 


Ergänzt wird die Raumgestaltung durch einen Wandbehang an der Nordwand, eine Batikarbeit, die den Kreuzweg darstellt. Sie ist mit über 10 Metern Länge die größte einteilige Batikarbeit der Welt.

stark vergrößerte Darstellung

 

 

Jenseits der Altarwand befindet sich die Werktags-Kapelle, die u. a. den an die Kirche angegliederten grauen Schwestern zur Morgen- und Abendandacht dient. Sie wurde als „Alltagskirche“ im Gegensatz zur „Festtagskirche“ bewusst farblos schlicht gestaltet unter Einbeziehung der außen liegenden Natur durch die erstmalige Verwendung von unterschiedlichen Industrie-Strukturgläsern in neun Varianten.
Zum Teil stammen die Gläser aus DDR-Produktion, z.T. aus Ungarn und Polen, z.T. aus gesamtdeutschen Restbeständen vor der Teilung. Die Festlegung der einzelnen Strukturen erfolgte nach genauer Beobachtung vorort, welche Struktur vor welchem Hintergrund welchen Farbwert ergibt.

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